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Deutsche Verkehrs-Zeitung: Wenn der Chef gehen will

Wenn Unternehmensinhaber keinen Nachfolger in der Familie haben, bietet sich gerade bei kleinen und mittelgroßen Firmen an, die Nachfolge mit einer Führungskraft zu gestalten. Externe Spezialisten können helfen.

Bis 2022 stehen rund 30.000 Unternehmen pro Jahr vor der Frage, wie sie ihre Nachfolge regeln. Das schätzt das Institut für Mittelstandsforschung Bonn (IfM Bonn). Das Problem: In rund jedem zweiten mittelständischen Unternehmen wollen oder können Familienmitglieder nicht die Nachfolge antreten.

So war es auch bei Fritz Dethlefsen. Der heute Anfang-60-Jährige hatte die 1971 gegründete Braase Spedition & Logistik 2006 im Rahmen eines Management-Buy-ins übernommen und das Geschäft stark ausgebaut. Das Unternehmen mit Sitz im schleswig-holsteinischen Fockbek hat sich auf den Transport großvolumiger Freizeit- und Nutzfahrzeuge spezialisiert. Dazu zählen das Kunden- und Transportmanagement mit eigenem Fuhrpark, die Zwischenlagerung von Kundenfahrzeugen und die Abwicklung der Ausgangslogistik der im nahe gelegenen Hobby-Wohnwagenwerk produzierten Fahrzeuge.

„Herr Dethlefsen ist zwar erst Anfang 60, wollte aber vermeiden, irgendwann aus welchem Grund auch immer zu nicht vorbereiteten Handlungen gezwungen zu werden“, so Dirk Zernitz, seit 2006 bei Braase tätig. Mit der Vorbereitung seiner Nachfolge begann Dethlefsen früh: Er baute Zernitz, den er seit fast 30 Jahren kennt und mit dem er auch vor dessen Einstieg bei Braase schon zusammengearbeitet hatte, frühzeitig zu seinem potenziellen Nachfolger auf. Seit 2008 teilten sich beide die Geschäftsführung: Zernitz kümmerte sich um das Tagesgeschäft, das Personal und die Befrachtung, Dethlefsen war für das Controlling und die Finanzen verantwortlich.

Oberste Priorität: Fortbestand

„Erstmals hat er mir im vergangenen Jahr von seinen Überlegungen erzählt, nun aktiv die Unternehmensnachfolge gestalten zu wollen“, erinnert sich Zernitz. Dafür wandte sich Dethlefsen an die auf die Nachfolgeregelung im deutschen Mittelstand spezialisierten M&A-Berater von Sonntag Corporate Finance aus Gießen, die den Verkauf begleiteten. Darüber entstand der Kontakt zur Haspa BGM Beteiligungsgesellschaft für den Mittelstand (Haspa BGM), einem Eigenkapitalinvestor für Norddeutschland.

„Oberste Priorität war für Herrn Dethlefsen, den Fortbestand seines international tätigen Unternehmens mit 70 Arbeitsplätzen am Standort zu sichern“, berichtet Haspa-BGM-Geschäftsführer Carsten Röhrs. „Für uns wiederum kommt es auf eine solide Finanzierungsstruktur und eine gute Eigenkapitalbasis an, unabhängig davon, ob es sich bei der Nachfolgeregelung um ein Management- Buy-out, wie im Fall von Braase, oder ein Management-Buy-in handelt.“

Dabei richte sich der Haspa-BGM-Blick auf eine Minderheitsbeteiligung zwischen 25 und 49,9 Prozent an Unternehmen mit einem Umsatz zwischen 10 und 300 Mio. EUR. „Braase ist in seiner Nische sowohl hinsichtlich der Auslastung als auch der Organisation und der Digitalisierung sehr gut aufgestellt“, betont Röhrs. „Gemeinsam haben wir dann überlegt, wie wir Braase langfristig auf sichere Beine stellen“, berichtet Zernitz. „Wir“, das waren Fritz Dethlefsen, sein Sohn, Röhrs und Zernitz selbst. Im Ergebnis veräußerte der bisher alleinige Gesellschafter Dethlefsen mit Wirkung vom 21. Mai dieses Jahres 65 Prozent seiner Anteile, während die restlichen 35 Prozent in Familienbesitz bleiben. Die Haspa BGM übernahm 49,9 Prozent, und Zernitz erhielt im Zuge der Transaktion 15,1 Prozent der Geschäftsanteile.

Der gesamte Verkaufsprozess nahm, wie in solchen Fällen üblich, etwa ein Jahr in Anspruch. „Das dauert deshalb so lange, weil die betroffenen Unternehmer und Manager Zeit für den komplexen Prozess brauchen, selbst wenn wie hier M&A-Berater beteiligt sind“, erläutert Röhrs. Dabei ging es beispielsweise um die Positionierung auf dem Markt.

Und auf welchen Zeitraum ist diese Struktur ausgelegt? „Unsere Beteiligungen sind langfristig ausgerichtet und grundsätzlich nicht von vornherein befristet, das gilt auch für Braase“, betont Röhrs. Die Haspa BGM habe mehrere Unternehmen im Portfolio, an denen sie bereits über zehn Jahre beteiligt ist. „Natürlich kommt es auch zu Unternehmensverkäufen aus dem Portfolio, die jedoch nur in Absprache und in enger Abstimmung mit unseren Mitgesellschaftern und Managern stattfinden.“ Darüber, wie die konkreten Vereinbarungen im Fall Braase aussehen, halten sich die Beteiligten bedeckt; jedoch habe Dethlefsens Sohn verschiedene Optionen.

Inzwischen ist die neue Gesellschafterstruktur Alltag geworden. Der Senior Dethlefsen ist noch etwa einmal pro Monat vor Ort. Röhrs: „Es ist ideal, wenn die Unternehmerfamilie dabeibleibt und ihre Erfahrungen weiter einbringt.“ In monatlichen Meetings werden von den Gesellschaftern die Zahlen und aktuelle Themen besprochen, bei Ad-hoc-Entscheidungen wird telefoniert. „Die Stärke des Mittelstands ist die Geschwindigkeit, die wir durch unsere Finanzkraft noch beschleunigen“, so Röhrs.

Das Ziel ist gesetzt: „Wir wollen unsere starke Marktposition durch eine Buy-and-Build-Strategie weiter ausbauen und das Unternehmen zum marktführenden Logistiker in unserer Nische weiterentwickeln“, sagt Zernitz. Dabei will die Haspa-Tochter das „stabile und ertragsstarke Unternehmen“ aktiv begleiten.

Neben den regulären Erträgen gehe es dabei vor allem darum, den Unternehmenswert stetig zu steigern. (la)

Artikel-Link
https://www.dvz.de/rubriken/land/detail/news/wenn-der-chef-gehen-will.html