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Service Seiten: Finanzen, Steuern, Recht – Herausforderung Unternehmensnachfolge

Viele mittelständische Unternehmer schieben die Nachfolge auf die lange Bank

Auch wenn es viele Unternehmer verdrängen oder immer wieder verschieben – der Zeitpunkt einer Unternehmensübergabe ist unausweichlich. So entscheidungsfreudig Unternehmer im operativen Geschäft agieren, so zögerlich gehen sie oft das Thema Unternehmensnachfolge an. Dabei gilt: Je frühzeitiger die richtigen Weichen gestellt werden, desto geordneter kann ein Übergang geschehen.  Laut KfW Mittelstandspanel und KfW Analyse Volkswirtschaft 2017/2018 zum Thema Nachfolge suchen in Deutschland in den Jahren 2020-2022 rund 275 000 kleine und mittelständische Unternehmen einen Nachfolger. Doch viele Unternehmer scheinen die Übergabe auf die lange Bank zu schieben. Rund ein Viertel der Inhaber wird zum Übergabezeitpunkt 72 Jahre oder älter sein, jeder zehnte Senior-Unternehmer wird sogar älter als 77 Jahre sein, wenn er das Unternehmen übergibt. Beteiligungsgesellschaften, die bereits länger am Markt agieren und Erfahrung einschließlich der Akquisition des Nachfolgemanagements haben, können Muster und Erfolgsfaktoren erkennen, die eine erfolgreiche Nachfolge unterstützen:

Frühzeitig planen

„Mors certa, hora incerta – Nichts ist gewisser als der Tod – nichts ist ungewisser als seine Stunde“ wusste schon Anselm von Canterbury im 11. Jahrhundert. In der Tat können Krankheit oder andere Rückschläge einen Unternehmer unerwartet treffen, insofern ist eine frühzeitige strategische Planung der Unternehmensnachfolge alternativlos, wenn das Lebenswerk des Unternehmens sich erfolgreich und stabil weiterentwickeln soll.

Doch was heißt frühzeitig? Das hängt meist von den persönlichen Gegebenheiten ab. Während der eine Unternehmer mit 55 Jahren eine Weltumsegelung plant, zielt der andere eher auf das typische Renteneintrittsalter. Für einen geordneten Übergang sind dann dann mindestens 2-5 Jahre von den ersten Eckpunkten bis zur Umsetzung einzuplanen. Diese Zeitspanne wird von vielen Senior-Unternehmern unterschätzt. Insofern sollte die Nachfolgeplanung sorgfältig vorbereitet werden.
Laut DIHK-Report Unternehmensnachfolge 2018 finden 47 % der Senior-Unternehmer keinen passenden Nachfolger. Wenn nicht in der eigenen Familie ein passender Nachwuchsunternehmer heranwächst, scheint also auch oft im Führungskreis des Unternehmens kein passender Kandidat vorhanden zu sein. Dies bedeutet, dass extern nach einem Nachfolger gesucht werden muss.

Dieser Prozess ist in der Regel langwierig; für die Suche, Einarbeitung und sukzessive Übergabe an einen externen Nachfolger ist genügend Zeit einzuplanen. Die Chancen, den richtigen Kandidaten zu finden, erhöhen sich dabei stark, wenn man von vornherein Berater oder einen langjährig erfahrenen Investor einbezieht. Damit kann schneller und zielgerichteter ein passender Nachfolger gefunden werden.

„Laut DIHK-Report Unternehmensnachfolge 2018 finden 47 % der Senior-Unternehmer keinen passenden Nachfolger.“
Dr. Oliver Melzer

Unabhängig davon gibt es einen weiteren großen Erfolgsfaktor: Es sollten schon beizeiten alle Schlüsselpositionen des Unternehmens nachhaltig besetzt sein. Ein guter Indikator dafür ist z. B., wenn der Senior-Unternehmer mit ruhigem Gewissen auch vier Wochen am Stück Urlaub machen kann.

Umsetzungsprozess ist komplex

Ist erst ein passender Nachfolger gefunden, muss nicht nur der operative Übergang gewährleistet werden - insbesondere muss auch der Anteilsübergang strukturiert werden. Sowohl bei familieninternen Übergängen, bei Übernahmen durch bestehendes Management (MBO-Management Buy-Out) oder Einstieg von externen Managern (MBI-Management Buy-In) ist oft ein Kaufpreis aufzubringen, der die persönlichen Verhältnisse des Übernehmers übersteigt. Eine Option für diesen Fall ist es, einen unternehmerischen und langfristigen Partner als Investor mit einzubeziehen. Bei der Auswahl des Finanzierungspartners oder Investors lassen sich dabei folgende Erfolgsfaktoren nennen:

• „Mittelstandskompatibilität“ (z. B. in Bezug auf Nachhaltigkeit, Wertekanon, partnerschaftlichen Umgang, unternehmerische Begleitung, Netzwerk geeigneter Berater)

• Flexibilität in der Finanzierungsgestaltung passend zum Unternehmen (z. B. Minderheitsanteil, Mehrheitsübernahme, Rückbeteiligung des Senior-Unternehmers, zeitlich abgestufte Anteilsübergabe, Mezzanine-Finanzierungen, zukünftige Investitionsvorhaben)

• Länge des Beteiligungszeitraumes (z. B. Investition ohne Laufzeitbeschränkung, d. h. langfristige nachhaltige Begleitung auch länger als 10 Jahre)

Am Ende spielt neben der fachlichen Kompetenz aber insbesondere auch Sympathie eine große Rolle, denn die Zusammenarbeit muss, wenn sie erfolgreich sein soll, auf gegenseitigem Respekt und Vertrauen beruhen, konstruktiv sein und auch Freude machen. Hierzu bietet sich an, durchaus auch Referenzen über den Investor einzuholen.

Im Vorfeld der Aufnahme von Finanzierungspartnern oder Investoren ist es sehr wichtig, sorgfältig und realistisch alle notwendigen Informationen über das Unternehmen sowie das Markt- und Wettbewerbsumfeld zusammenzutragen. Der Aufwand hierfür ist nicht zu unterschätzen und sollte mit genügend Zeit, Ressourcen und auch externen Beratern bewerkstelligt werden.

Zur Ermittlung des Kaufpreises gibt es naturgemäß unterschiedliche Sichtweisen zwischen Verkäufer und Erwerber. Gemäß DIHK-Report Unternehmensnachfolge 2018 fordern 42 % der Verkäufer einen überhöhten Kaufpreis. Zur realistischen Einschätzung des Unternehmenswertes hilft es, den Markt vergleichbarer Unternehmen zu sondieren oder aktuelle Unternehmensbewertungen z. B. auf Multiplikatorenbasis zu verfolgen. Eine offene Kommunikation der jeweiligen Erwartungshaltung zwischen Verkäufer und Käufer lässt frühzeitig absehen, ob und wie man sich bezüglich des Kaufpreises annähern kann.

Immer häufiger wird eine weiterlaufende Beteiligung seitens des Senior-Unternehmers gewünscht: Die operative Verantwortung soll möglichst frühzeitig geordnet übergeben werden, finanziell soll ein Teil des Vermögens „hinter die Brandmauer kommen“ und der Senior-Unternehmer möchte sich mittelfristig über Beiratstätigkeiten und einer signifikanten Rückbeteiligung am Unternehmen weiter engagieren. Dies zeigt sich auch in der Kaufpreisdiskussion, da offenkundig der Verkäufer an den aktuellen Wert und die weitere Wertentwicklung glaubt.

Ist die Grundstruktur der Übergabe und Anteilsverteilung entworfen und sind die gemeinsamen mittelfristigen Ziele des zukünftigen Beteiligungskreises definiert, wird dazu ein Vertragswerk aufgesetzt, welches allen gesellschaftsrechtlichen Anforderungen sowie oft auch erbschaftsteuerlichen Fragestellungen genügen muss. Auch hierbei ist es sehr förderlich, schon auf das Netzwerk und die Historie eines erfahrenen Investors zurückzugreifen, um in keine juristischen oder steuerlichen Fallstricke zu tappen.

Konkretisierung des Umsetzungsplanes

Was für die Unternehmensplanung gilt, gilt auch für den Masterplan der Nachfolge: Es gibt Klarheit, sich die Eckpunkte schriftlich zu vergegenwärtigen. Dazu gehören klare Vorstellungen über die eigene zukünftige Rolle (als Gesellschafter, Manager, Beirat oder Berater) oder auch eine Vorstellung über die weitere Unternehmensentwicklung (z. B. Erhalt der Eigenständigkeit) und damit verbunden die Anforderungen an einen Nachfolger und/oder Investor.

Dr. Oliver Melzer
Haspa Beteiligungsgesellschaft für den Mittelstand
Geschäftsführer

Dr. Oliver Melzer promovierte Teilchenphysik am CERN/Genf und ist ehemaliger McKinsey Berater. Seit mehr als 10 Jahren verantwortet er als Partner und Geschäftsführer unternehmerische Beteiligungsgesellschaften. Die Haspa BGM ist einer 100 % Tochter der Haspa mit deutschlandweitem Investitionsfokus auf langfristige Minderheits- und Mehrheitsbeteiligungen an Unternehmen mit mehr als EUR 10 Mio. Umsatz.